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Mittwoch, 16. November 2011

Schafft sich Youtube ab?!


Die Vergangenheit verdrängt, die Zukunft verkauft: YouTube will zum Fernsehsender werden – und bewegt sich mit seiner neuen Inhaltestrategie auf dünnem Eis. Zudem werden Internetnutzer aus Deutschland vorerst auf speziell für sie produzierte, professionelle Kanäle verzichten müssen. Auf Anfrage von ZDF Hyperland bestätigte Google-Sprecher Kay Oberbeck: “Für den deutschen Markt sind keine Premium-Kanäle geplant.”

Ende Oktober hatte Google eine Art Strategiewechsel verkündet und damit international für großes Aufsehen gesorgt: Mehr als 100 Kanäle sollen innerhalb der nächsten Monate gestartet werden, von animierten Vorträgen der TED-Konferenzen bis hin zur schrillen Videoperformance der Popikone Madonna. Es geht um Werbegelder. Ein Action-Stück der Skateboarder-Legende Tony Hawk lässt sich eben besser vermarkten als das Handy-Video einer durch die Küche purzelnden Katze.

Webvideo: The next big thing

Das neue Inhalteprogramm lässt sich YouTube mehr als 100 Millionen Dollar kosten. Für den Mutterkonzern Google ein Griff in die Portokasse. Denn kaum ein Markt verspricht in Zukunft mehr Rendite als Internetbewegtbilder – egal ob auf dem Handy oder bald im Wohnzimmer. Schon heute explodieren die Nutzungszahlen: Jede Minute werden 48 Stunden neues Material allein auf YouTube hochgeladen, täglich werden die Videos dort mehr als drei Milliarden mal angeschaut. 60 Prozent der Zugriffe kommen von Nutzern, die eine andere Sprache als “Englisch” voreingestellt haben. Laut dem Web-TV-Monitor 2011 gibt es zwar weiterhin ein großes Feld alternativer Videoangebote in Deutschland – aber bis zu 80 Prozent der Zugriffe landen bei YouTube. Tendenz steigend. YouTube ist auf dem besten Wege, das TV von morgen zu werden.

Verdrängte Vergangenheit

Doch der Erfolg des Portals kommt nicht bei jedem gut an. Mit 700 Abonnenten auf ihrem Kanal “wavetime Inc.” zählen Tobias und Mirko zum ambitionierten Nachwuchs im YouTube-Becken. Sie kritisieren die Seilschaften zwischen den erfolgreichen YouTubern: “Kennt man niemanden, der einem in seinem Vorhaben unterstützt, dümpelt man nur noch herum. Ein wenig verdrängt fühlt man sich dadurch, obwohl man – ohne überheblich wirken zu wollen – regelmäßig guten Content produziert.”
Daran aktiv etwas ändern könnte YouTube selbst. Könnte. Denn die Realität sieht anders aus: Nur wer im bewerbungspflichtigen Partner-Programm ist – und damit vertraglich YouTube eine Gewinnabsicht zusichert – hat ohne prominente Unterstützung eine realistische Chance auf eine dauerhafte Platzierung in den vorderen Reihen. Sicherlich: Ausnahmen gibt es. Aber angesichts der schieren Masse an stetig neuem Material ist die Zahl verschwindend gering. YouTube hat mehrere Nachwuchsprogramme ins Leben gerufen. Doch diese gleichen mehr einer Castingshow denn einer Volkshochschule.

Verkaufte Zukunft?

Christoph Krachten, Moderator der erfolgreichen YouTube-Talksendung “Clixoom” sieht hingegen keinen Verteilungskampf bevorstehen. “Das größte Videoportal der Welt wird noch größer. Davon haben wir alle etwas.” Und: “Die Professionalisierung gehört dazu. Du kannst niemandem verbieten, besser zu werden.”
Aus diesem Grund hat Krachten in Köln das erste deutsche YouTube-Netzwerk gegründet. Mit bekannten Kanälen wie “iBlali”, “Y-Titty” oder “ManniacMind” möchte Krachten schon bald Abrufe im Milliardenbereich erhalten. Doch es geht um mehr: Die Mitstreiter sollen fitter werden: im Drehbuchschreiben, im Auftreten vor der Kamera, im Schneiden von Videos. Und am Ende des Tages sollen alle gutes Geld mit ihrem Handwerk verdienen können. Der große Unterschied zum Fernsehen und der vermeintliche Weg zum Erfolg: “Wir behalten den Spaß an der Sache”, sagt Christoph Krachten. Unabhängigkeit pur – außer von YouTube.

Broadcast yourself

Senden, weil du es kannst – und nicht weil du musst. Das war bis jetzt das Prinzip YouTubes – ausgedrückt im Slogan “Broadcast yourself” (übersetzt: Sende dich selbst). Zugleich eigener Anspruch aber auch Ausdruck einer selbstbestimmten Internetgeneration im Konflikt mit dem verstaubten Regelwerk der Etablierten. Doch anstatt dafür zu kämpfen, die Regeln zu ändern, hat es sich YouTube bequem gemacht – und spielt eifrig mit. Bleibt die Frage, wie lange die Videomacher von heute auch weiterhin ihre Videos bei YouTube einstellen. Oder sich eines Tages ein neues Zuhause suchen und dem TV von morgen den Rücken kehren.

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