The Amazing Spider-Man (Review!)
Pünktlich zum Kino start hier eine kritik zum neuen Spider-Man Film:Andrew Garfield ist ein genauso guter Spider-Man wie Tobey Maguire. Das soll nach all der Skepsis, die dem britischen Nachwuchsstar in den vergangenen zwei Jahren entgegengeschlagen ist, gleich zu Beginn einmal gesagt werden. Natürlich hatten wir uns alle an Maguire gewöhnt, der zwischen 2002 und 2007 drei Mal für Sam Raimi in das Spinnenkostüm geschlüpft ist und in der Rolle weltbekannt wurde, aber es gibt überhaupt keinen Grund, die beiden Peter-Parker-Darsteller gegeneinander auszuspielen, dafür sind ihre Interpretationen viel zu verschieden. Garfield setzt beim Neustart mit „The Amazing Spider-Man" seine eigenen Akzente - genau wie Regisseur Marc Webb („(500) Days of Summer"), der pünktlich zum 50. Geburtstag des rot-schwarz-maskierten Comic-Helden einen spektakulären Superhelden-Sommer-Blockbuster liefert. Dabei trifft er den Kern seines Protagonisten punktgenau und fährt dazu noch genügend eigene Ideen auf, um die zügige Neuauflage nur fünf Jahre nach Raimis „Spider-Man 3" mehr als zu rechtfertigen.
Als er noch ein kleiner Junge war, mussten seine Eltern eines Nachts Hals über Kopf flüchten. Seitdem lebt der Highschool-Außenseiter Peter Parker (Andrew Garfield) bei seinem Onkel Ben (Martin Sheen) und seiner Tante May (Sally Field). Als Peter beim Stöbern im Keller eine von seinen Eltern zurückgelassene Aktentasche entdeckt, beginnt er Nachforschungen anzustellen, die ihn zu einem ehemaligen Forschungskollegen seines Vaters beim Konzern Oscorp führen: Der einarmige Dr. Curt Connors (Rhys Ifans) ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Genforschung und arbeitet aktuell an einem Projekt, bei dem er die Gene mehrerer Spezies miteinander kreuzen will, damit sich deren Stärken gegenseitig ergänzen. Als er sich auf eigene Faust bei Oscorp umsieht, wird Peter von einer zum Weben extrem fester Seile gentechnisch getunten Spinne gebissen, woraufhin sich sein Körper über Nacht verändert und ungeahnte Kräfte entwickelt. Aber damit nicht genug. Nebenbei findet Peter auch noch seine erste Liebe Gwen Stacy (Emma Stone) und muss sich mit einem reptilienartigen Monster herumschlagen, das in den Straßen New Yorks für Verwüstungen sorgt...
Natürlich gibt es inhaltliche Parallelen zwischen Marc Webbs neuer Version und Sam Raimis „Spider-Man", darunter der Spinnenbiss, der indirekt vom Helden verschuldete Tod des Onkels oder der Umstand, dass Peter Parker von mexikanischen Catchern zu seinem Superheldenkostüm inspiriert wird. Aber Webb gibt all diesen gemeinsamen Plotdetails einen eigenen Dreh, so dass sie nie wie eine plumpe Wiederholung anmuten. Es ist darüber hinaus vor allem Andrew Garfields („The Social Network") Darstellung, die „The Amazing Spider-Man" zu einem vollkommen eigenständigen Werk macht. Wer den Vergleich zu Tobey Maguire stichelnd überspitzen möchte, könnte sagen, Garfields Peter Parker sei weniger weinerlich, dafür aber sehr viel wütender. Obwohl der Kalifornier mit 28 zwei Jahre älter ist als Maguire bei der Premiere von „Spider-Man", spielt er einen Spider-Man im Highschool-Alter. Aber das heißt keinesfalls, dass seine Interpretation weniger tief oder weniger düster wäre. Ganz im Gegenteil: In seinem Durchbruchsfilm „Boy A" verkörperte Garfield schon einmal einen wütenden Teenager - und nun nimmt er den naturalistischen Gestus dieses kleinen britischen Independent-Dramas und überträgt ihn beinahe eins zu eins auf seine Rolle in einem hunderte Millionen Dollar teuren Hollywood-Blockbuster. Das Ergebnis ist absolut faszinierend: ein gänzlich ungekünstelter Superheld.
In „The Amazing Spider-Man" geht es in erster Linie um den Kampf des Protagonisten mit seinen eigenen Dämonen. Statt da noch ein kompliziertes Beziehungsgeflecht obendrauf zu setzen, tun Regisseur Marc Webb und seine Autoren James Vanderbilt („Zodiac"), Alvin Sargent („Spider-Man 2") und Steve Kloves („Harry Potter") gut daran, die Dinge zwischen Peter Parker und Gwen Stacey vergleichsweise simpel zu halten. Gwen ist von Anfang an in den introvertierten Außenseiter verknallt und als sie erfährt, dass ihr Freund Spider-Man ist, nimmt sie das supercool hin (als Genetik-Genie kann man sie mit einer einfachen Mensch-zu-Superheld-Mutation eben nicht mehr schocken). Trotzdem erweist sich Gwen Stacy keineswegs als Schwachstelle, was vor allem der launig aufspielenden Emma Stone zu verdanken ist: Wie in „Einfach zu haben" oder „Zombieland" besticht sie auch diesmal mit schneidigen Kommentaren sowie dem ihr eigenen charmanten Zynismus und stiehlt so praktisch jede Szene, in der sie auftaucht. Das ist das Maximum, das sie zu „The Amazing Spider-Man" beisteuern kann, und für die im Finale angedeutete tiefere Tragik bleibt in der bereits für 2014 geplanten Fortsetzung „The Amazing Spider-Man 2" ja noch genügend Zeit.
Der Lizard wiederum entpuppt sich als der perfekte Gegenspieler für einen ersten Spider-Man-Film, denn er ist praktisch das dunkle Pendant des Spinnenhelden. Zu Beginn will Peter dem Bully-Opfer auf dem Schulhof helfen und Dr. Connors all den behinderten Menschen, denen wie ihm selbst ein Körperteil fehlt. Beide sehnen sich nach der für die Unterstützung der Schwachen nötigen Kraft. Aber als sie diese dann erlangen, erkennt Peter nach einigen Fehltritten seine Bestimmung und setzt seine Kräfte für das Gute ein, während Connors an seiner Macht zerbricht und schließlich der Lizard, sein böses Alter Ego, vollständig von ihm Besitz ergreift. Damit erweist sich der in der ehrwürdigen Tradition von Faust & Co. stehende Doktor als tieftragische Figur, die nicht einfach nur stellvertretend für das Schlechte an sich steht, sondern auf angenehm komplexe Weise die Verlockungen der Macht repräsentiert. Aber Goethe hin oder her, am Ende sorgt der Lizard - wie es sich für einen Comic-Bösewicht nun mal gehört – für ordentlich Krachbumms und legt einiges in Schutt und Asche.
Schon mit der Bekanntgabe des Engagements von Marc Webb stand eigentlich fest, dass sich niemand mehr ernsthaft um die Figurenzeichnung oder um die Entwicklung der Beziehung von Peter Parker und Gwen Stacy sorgen muss. In diesen Bereichen hat der Regisseur schließlich schon bei seinem Independent-Hit „(500) Days of Summer" bewiesen, was er kann. Ob er aber auch in der Lage ist, Actionsequenzen zu inszenieren, die einer 220-Millionen-Dollar-Produktion würdig sind, stand hingegen auf einem ganz anderen Blatt. Aber auch hier war jede Sorge unnötig. Marc Webb erfindet das (Blockbuster-)Rad zwar nicht neu, aber seine drei großen Actioneinschübe (Spider-Man gegen den Lizard auf einer Brücke, in einer Schule und auf einem Wolkenkratzer) haben allesamt den erhofften Wumms und sind ebenso abwechslungsreich wie kurzweilig gestaltet. Dazu hat Webb auch noch einen ganz eigenen inszenatorischen Kniff zu bieten: Er lässt uns Zuschauer immer mal wieder buchstäblich durch Spider-Mans Augen schauen, etwa wenn sich der Spinnenmann durch die Häuserschluchten New Yorks schwingt. Nicht nur kommt der 3D-Effekt in diesen Momenten besonders gut zum Tragen, die reizvolle Ego-Perspektive wird clevererweise auch immer genau dann aufgegeben, wenn man gerade Gefallen an ihr gefunden hat und unbedingt noch mehr davon sehen will.
Fazit: Nach all dem Hype hätte man fast meinen können, dass in diesem Sommer lediglich „The Avengers" und „The Dark Knight Rises" um die Gunst der Comic-Fans buhlen. Aber nachdem wir „The Amazing Spider-Man" gesehen haben, steht für uns fest: 2012 mischt noch ein weiterer würdiger Herausforderer ganz gewaltig in der Königsklasse der Comic-Blockbuster mit!
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